Von:
Wir haben beim sechsten Cycling Research Board in Amsterdam das VeloLAB vorgestellt. Das Cycling Research Board ist eine Konferenz, die seit 2017 in verschiedenen Städten in den Niederlanden und in Dänemark stattfindet. Thema der Konferenz ist die Rolle des Radfahrens innerhalb sich verändernder städtischer Systeme. Dabei liegt ein Fokus darauf, möglichst viele Blickwinkel zu betrachten und junge*n Forscher*innen und Projekten eine Bühne zu geben. Die interaktive Konferenz steht unter dem Prinzip des CAMPING: Creative, Accesible, Mutable, Pleasurable, Inspirational, Ground-Breaking, sollte also kreativ, zugänglich, wandelbar, vergnüglich, inspirierend und bahnbrechend sein. Das hat sich vor allem durch die verschiedenen Formate der Konferenz gezeigt. Ausgerichtet wurde das ganze vom Team rund um Marco Te Brömmelstroet, dem berüchtigten Fahrradprofessor an der University of Amsterdam (UvA), der die Konferenz mit den Worten: „Mobility is a wicked Problem“ (Mobilität ist ein gemeines Problem) eröffnete. Im Rahmen einer Schnitzeljagd durch die Stadt wurden an verschiedenen Stationen infrastrukturelle Probleme aufgezeigt.
Später fand eine Diskussionsrunde im Fishbowl Format statt. Zuerst wurden drei kontroverse Thesen aufgestellt:
Dabei kam die erste These von Martijn Simons, dem Infrastrukturmanager der Stadt Amsterdam und die letzte These von Pepjin Verpaalen von Urbanos. Die Thesen wurden interaktiv diskutiert.
Am Nachmittag konnte Isabell Eberlein in einer Session das VeloLAB vorstellen und auf die Zusammenarbeit der unterschiedlichen Akteure eingehen, die sich der großen „wicked“ Probleme der Mobilität annehmen. Die Gruppe diskutierte die Frage der Mobilitätskultur und kam zum Ergebnis, dass unser Bewusstsein für Mobilität stark durch „Hollywood“, also Film und Fernsehen geprägt wird. Aufgrund der anderen Beiträge in dem Panel wurde auch die Bedeutung von Jugendlichen im kulturellen Wandel hervorgehoben. Besorgniserregend ist hierbei, dass die Zahl der Jugendlichen, die mit dem Fahrrad fährt, in Dänemark und den Niederlanden leicht abnimmt.
Weitere interessante Beiträge des Panels kamen von Jean Huvelle aus Schweden, Jeppe Kastrup aus Dänemark und Lucas von der Meer aus Salzburg. Huvelle, ModC Networks, stellte eine Holzfahrradinfrastruktur vor und beschrieb die Vorteile von Holz als Material für Fahrradwege. Jeppe Kastrup, DTU (Dänemarks Technische Universität), präsentierte eine Langzeituntersuchung des Fahrradverhaltens Jugendlicher in Dänemark und den Niederlanden im Vergleich und Lucas van der Meer, Universität Salzburg, brachte die Frage ein, ob wir anstatt Mobilität und Infrastruktur nach Geschwindigkeit zu bewerten, die Zugänglichkeit das entscheidende Kriterium sein sollte.
Die Konferenz hat uns gezeigt, wie viel in Amsterdam schon passiert ist bezüglich Radinfrastruktur und Mobilität. Auf politischer und wissenschaftlicher Ebene spielt das Fahrrad eine zentrale Rolle und wird im Infrastrukturaus- und -umbau immer mitgedacht. Das wollen wir in Deutschland auch erreichen und zwar nicht nur in den großen Städten, sondern auch in ländlichen Gebieten, wo das Fahrrad als Verkehrsmittel häufig noch ignoriert wird.
Auch im ländlichen Raum könnten schon viele Strecken mit dem Fahrrad zurückgelegt werden. Die durchschnittliche Weglänge lag 2017 bei 12 Kilometern und in 40 % der Autofahrten liegt die zurückgelegte Strecke unter 5 Kilometern (MiD2017 Ergebnisbericht). Betrachtet man nur die Distanz, die zurückgelegt werden muss, sind viele Strecken mit dem Fahrrad machbar. Doch das Fahrrad wird nur von der Hälfte der im ländlichen Umfeld lebenden Bevölkerung überhaupt als vollwertiges Verkehrsmittel betrachtet (Fahrrad-Monitor 2019 – Deutschland). Um das zu ändern, ist eine lückenlose Infrastruktur zentral. Zudem sollten für längere Strecken sinnvolle multimodale Lösungen gefunden werden. Mit dem Projekt „Stellenwert des Fahrrads auf dem Land“ wollen wir einen intelligenten Pendelverkehr entwickeln. Mit Bikesharing-Angeboten an Bahnhof und Arbeitsplatz könnten die letzten Kilometer zum Arbeitsplatz überwunden werden. Fundament des Projekts ist dabei die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Kommunen. Darauf aufbauend soll ein skalierbares Produkt entwickelt werden, dass die unterschiedlichen Nutzer*innengruppen berücksichtigt.